Mit dem Einzug leistungsfähiger PCs hat sich die Unfallrekonstruktion in den letzten Jahren zwar dahingehend weiterentwickelt, dass komplizierte und umfangreiche Rechenvorgänge schneller bearbeitet und die Ergebnisse anschaulicher dargestellt werden können (Stichwort "3D-Simlulationen"), allerdings ändert dies nichts an folgender Tatsache:
Auf der EVU-Jahrestagung im Herbst 2003 wurden Probeberechnungen mit den verschiedenen Programmen vorgestellt. Das Fazit überraschte letztlich nicht:
Denn nicht zu bestreiten ist die große Suggestivwirkung einer Videoanimation auf den Betrachter. Aber ob sich der dargestellte Unfallablauf tatsächlich mit den physikalischen Grundlagen vereinbaren lässt, wird allein aus einer Videopräsentation letztlich nicht ersichtlich.
Vorgehensweisen in der Unfallrekonstruktion
Abhängig von der Aussagekraft des objektiven Anknüpfungsmaterials lassen sich in der Unfallrekonstruktion die Ergebnisse dennoch durchaus auch in relativ geringen Bandbreiten herausarbeiten.
Dabei wird prinzpiell in zwei verschiedene Vorgehensweisen unterschieden: in die Rückwärts- und in die Vorwärtsrechnung.
Rückwärtsrechnung:
Dem Sachverständigen steht bei ausreichender Spurenlage (Kenntnisse zum fahrbahnbezogenen Kollisionsort und zum Auslaufverhalten der Fahrzeuge) als klassische Methode der Kollisionsanalyse die sog. Rückwärtsrechnung zur Verfügung.
Bei diesem Verfahren werden die Nachkollisionsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge von deren Endlage weg über die Auslaufspuren bis zur fahrbahnbezogenen Kollisionsstellung hin berechnet. Die Rekonstruktion verläuft also entgegen dem zeitlichen Unfallablauf, sozusagen zeitlich “rückwärts”.
Unter Berücksichtigung der physikalischen Gesetzmäßigkeiten des Impuls-, des Drehimpuls- sowie des Energieerhaltungssatzes werden nunmehr die Kollisionsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge graphisch und/oder rechnerisch ermittelt.
Vorwärtsrechnung
Im Gegensatz dazu wird bei einer Vorwärtsrechnung der Unfall aus der Ausgangssituation heraus, also vom Zeitpunkt des Zusammenstoßes weg, über den Auslauf der Fahrzeuge hinweg bis in deren Endlagen betrachtet.
Dabei wird im Zuge einer (gewöhnlich computerunterstützten) Simulation ermittelt, welche Endsituationen sich bei der Variation der mannigfaltigen Berechnungsparameter bei der Kollision ergeben.
Der Unfall wird bei diesem Verfahren somit analog zum zeitlichen Ablauf, also "vorwärts", untersucht. Ein Beispiel zu einer rechnergestützten Kollisionssimulation findet sich hier.
Gerade die angebotenen Computerprogramme zur Vorwärtsbetrachtung bedürfen bei der Vielzahl der zu berücksichtigenden Berechnungsparameter einer kritischen und fachkundigen Anwendung, damit die visualisierten Animationen keine physikalisch falschen “Scheinlösungen” darstellen.